Für wissbegierige und Spezialisten unter den Gartenfreunden folgt hier nun eine Abhandlung über die Dahlienarten. Eine Art ist bei den Pflanzen die Vorstufe zu einer speziellen Sorte. Eine Sorte ist entweder gezüchtet oder eine besondere Ausformung einer Pflanzenart, die sich von der gewöhnlichen Art
absetzt.
Werden die Samen einer sogenannten Sorte ausgesät, hat man immer unterschiedliche Nachkommen, es sei denn, es handelt sich um sogenannte F1 – Hybriden. In dem Fall, der bei Dahlien bisher nicht vorkommt, sind die Nachfolger zweier verschiedener Elternteile alle gleich. Dies ist aber nur bei bestimmten Pflanzenarten möglich, z.B. Stiefmütterchen oder Primeln.
Sprechen wir über Dahlienarten, dann meinen wir die Dahlien, die in ihrer Heimat in Mexiko in der freien Natur wachsen und deren Samen die gleichen Nachkommen ausbilden. Seit der Entdeckung Amerikas und der Einführung der Dahlie in Europa haben sich einige Wissenschaftler, vor allem in Amerika und Dänemark, mit der Erforschung und Sammlung der Arten befasst. Inzwischen ist man der lückenlosen Zusammenstellung der Arten schon recht nahe gekommen, verglichen mit den Erkenntnissen vor 200 Jahren.
Die Einteilung der Pflanzenwelt in ein bestimmtes System verdanken wir dem Naturforscher Carl von Linné, der vor 300 Jahren geboren wurde. Sein Schüler Anders Dahl ist der Taufpate der Dahlie.
Dieses System, die sogenannte binäre Nomenklatur, gibt der Pflanzenwelt und auch der Tierwelt eine Ordnung in Form von Doppelnamen (sprachliche Grundlage ist Latein), bestehend aus Gattungs- und Artnamen. Die verschiedenen Gattungen werden in Familien zusammengefasst. Bei den Pflanzen richtet sich die Zuordnung zu Familie und Gattung nach dem Aufbau der Geschlechtsorgane. Einer der größten Vorteile dieser Nomenklatur ist, dass man sich weltweit versteht, wenn der botanische Name einer Pflanze genannt wird.
Im Falle der Dahlia teilt es sich wie folgt auf: Pflanzenfamilie ist die "Compositae", Gattungsname ist "Dahlia" und 35 verschiedene Arten. Innerhalb der Gattung gibt es noch eine Untergruppierung in Sektionen, die auf die unterschiedlichen Wuchsformen der Pflanzen verweisen.
Die Namen hinter den einzelnen Arten geben an, wer sie als erstes wissenschaftlich beschrieben, benahmt und veröffentlicht hat.
I. Sektion Pseudodendron (Baumdahlien, verholzter Stamm, gegenständig gefiederte Blätter):
II. Sektion Epiphytum (Aufsitzerpflanzen, gegenständige, gefiederte Blätter):
III. Sektion Entemophyllon (krautige, teils verholzende Pflanze, wechselständige Fiederblätter):
IV. Sektion Dahlia (krautige Pflanzen, gegenständige, gefiederte Blätter):
Aus der Sektion Dahlia stammen unsere Gartendahlien. Insgesamt 24 Arten, von denen nach heutigen Erkenntnissen aber nur zwei wirklich für die Entwicklung der Sortenvielfalt unserer Kulturdahlien verantwortlich sind. Dies ist einmal die Art D. coccinea, deren Blüten ein Farbspektrum von gelb über orange, leuchtendrot bis tief dunkelrot haben. D. coccinea ist in Mexiko soweit verbreitet, dass sie an manchen Orten "Unkraut" – Charakter erreicht. Am Straßenrand Büsche von D. coccinea zu sehen ist keine Seltenheit.
Neben D. coccinea ist die Art D. sorensenii ein Elternteil unserer Gartendahlien. Erst nach vielen Tests, Probepflanzungen, Rückkreuzungen und Erforschungen der Gene (DNA / DNS), sowie weiterer Sammlung von Samen der in Mexiko zur Zeit noch zu findenden Dahlienarten hat sich die Erkenntnis verfestigt, dass die erste, von Cavanilles beschriebene Dahlie, D. pinnata, schon eine Gartendahlie aus Mexiko war. Er hat also damals eine Hybride beschrieben und keine reine Art, doch das konnte er nach damaligem Kenntnisstand noch nicht wissen.
Die beiden Elternteile D. coccinea und D. sorensenii besitzen die doppelte Chromosomenzahl, 2n = 64, im Vergleich zu den anderen Arten der Sektion IV, die 2n = 32 haben. Dies ist verantwortlich für die enorme Sortenvielfalt der Gartendahlien, die es so eigentlich bei keiner anderen Pflanzenart gibt, ausgenommen vielleicht bei der Gerbera.
Die passende Chromosomenzahl ist entscheidend, ob sich verschiedene Arten kreuzen können. Dies ist in der Sektion IV möglich bis auf Dahlia merckii, die eine Chromosomenzahl von 2n = 36 hat.
Es steckt also noch einiges an Züchtungspotenzial in der Gattung Dahlia, da die bisherigen Gartendahlien alle von "D. pinnata" (D. coccinea x D. sorensenii), der Urmutter von 1791 abstammen. Auch die oftmals erwähnte Dahlia juarezii, 1872 erstmals als sogenannte Kaktus-Dahlie aus Mexiko eingeführt und beschrieben, war schon eine Kreuzung und keine Naturart, wie irrtümlich angenommen wurde.
Quelle: Bettina Verbeek, "Dahlien", die schönsten Sorten und ihre Pflege
Mit freundlicher Genehmigung der Autorin und des BLV-Verlags, München.